Wie wollen Sie die Menschen „mitnehmen“?

Wie wollen Sie die Menschen „mitnehmen“?

Wenn Sie einen neuen Weg einschlagen (müssen) – als Mensch, als EigentümerIn eines Unternehmens, als PolitikerIn oder in einer anderen Position – dann sind Sie gedanklich praktisch schon aus dem alten Haus ausgezogen; auch wenn noch nicht alle Details geklärt und Sie noch nicht volle Orientierung in der neuen Umgebung haben (ja, oft noch nicht einmal wissen, welcher Weg sich am Ende überhaupt als gangbar und sinnvoll herausstellen wird).

Nun sollten Sie Ihr Umfeld am besten zu Verbündeten machen, die gemeinsam mit Ihnen „welchen Trial-and-Error-Weg auch immer“ einschlagen und rechtzeitig wichtige Weggabelungen bzw. „Errors“ erkennen und bereit für große Kurskorrekturen sind, wenn sich Ihre ersten gemeinsamen Überlegungen in der Praxis nicht als haltbar herausstellen. Wie können Sie nun in aller gebotenen Unsicherheit die Ihnen „anvertrauten“ Menschen auf einen solchen Trial und Error-Pfad mitnehmen? Wie kann es Ihnen gelingen, Sinn zu erzeugen, Dynamik, Aktivität, Freude auf dem Weg, aber auch die entsprechende Wachsamkeit und Entschlossenheit, einen nicht erfolgreichen Weg früh zu erkennen und „die Spur zu wechseln“, ohne als Schwächling angesehen zu werden bzw. das Vertrauen Ihres Umfelds zu verlieren?

In der Vergangenheit haben wir dieses „Mitnehmen“ meist als einen Akt des manipulativen „Ziehens“ auf die Seite der Initiatoren erlebt: Als Initiatoren haben wir ein (aus unserer Sicht) richtig gutes Szenario ausgearbeitet und ein aus unserer Sicht umwerfendes Werbe-/Manipulations-/Verkaufs-/Zwangskonzept für dieses Szenario, dieses Vorgehen entwickelt und „einfach ausgerollt“. Allerdings: Die Zeiten scheinen vorbei zu sein, in denen wir die Menschen einfach „mitziehen“ (oder, wie es auf der anderen Seite häufig gesehen wird, „für blöd verkaufen“) konnten.

Wie können wir nun die Menschen mitnehmen, ohne sie mitzuziehen? Das ist eine neue Frage, an die wir uns offensichtlich erst gewöhnen und bisherige Erfahrungen gnadenlos entlernen müssen.

Aus Relationaler Sicht besteht der Unterschied zwischen „Mitziehen“ und „Mitnehmen“ darin, dass Sie beim „Mitziehen“ die anderen auf Ihre Seite ziehen, während Sie beim „Mitnehmen“ die anderen auf deren Seite belassen und sie bei unablässiger völliger Transparenz (soweit bestehend/erhebbar) dabei begleiten, sehr selbstverantwortlich eigene Lösungen zu entwickeln – Lösungen, die zum Umfeld und Herausforderungen, aber auch zum Denken der anderen jeweils passen. Auf diese Weise entstehen vielfältige Lösungen, an denen alle in der Praxis lernen dürfen.

Zu kompliziert, meinen Sie? Nun, meiner Erfahrung nach ist das unendlich viel einfacher und vor allem schneller als das „Mitziehen“ – etwa wenn wir an ein Team denken: Jeder muss die Herausnahme einer Leistung binnen 2 Monaten in seinem Bereich bewältigen und umsetzen. Das funktioniert – mit guter Begleitung. Und wir brauchen kein Projekt daraus machen! Oder wenn wir an die Umweltsituation denken: Hier könnten wir (immer noch) jedem Unternehmen die unwiderruflich nach 2 Jahren endende Chance geben, energieautark zu werden – bei sonstigem Verlust der Gewerbeberechtigung. Ähnlich könnte jeder für sich entscheiden, wie er mit der Pandemie umgeht. Und entsprechend seiner Vorerkrankungen, seines Zustands und seines Alters die potenziell hohen finanziellen und Lebensrisiken tragen, wenn die Krankenhäuser voll sind.

Allerdings: All das braucht Begleitung in Form von transparenter und viel“seitiger“ Information und Unterstützung bei der Umsetzung.  Und – ja, das ist Arbeit. Aber es bringt ein anderes Zufriedenheitsergebnis bei allen Betroffenen. Es bringt nachhaltiges Lernen bei jedem Einzelnen – und beim Ganzen! Und es bringt ein wachsendes Selbst-Bewusstsein, ein wachsendes Entrepreneurship bei allen. Brauchen wir das nicht für unsere unsichere Zukunft?

MEHR LESEN: PDF oder PRINT

 

Kommentare

  1. Sonja Radatz Sonja Radatz

    Sg. Fr. Knauer-Walter,
    Danke für Ihren Kommentar - ich freue mich über jede eigene Meinung!
    Zu den Konsequenzen beziehe ich mich auf einen nicht so gängigen Begriff der Verantwortlichkeit von Humberto Maturana, dem Begründer der Neurobiologie, der nicht überall "verstanden" wurde, als er meinte, ein Mörder könne sich selbstverantwortlich verhalten, wenn er die Konsequenzen seines Verhaltens kenne und in Kauf nehmen würde. Darum geht es mir aber: Erst wenn ich die Konsequenzen kenne, glaube und sie durchaus als bedrohlich empfinde, werde ich entsprechend Entscheidungen treffen können. Das schlichte Ankündigen der Konsequenz - ein "Sie fahren jetzt 65 km/h im Ortsgebiet - das kostet Sie in 100 Metern 80 Franken" zuletzt in der Schweiz fand ich fair als Grundlage meiner selbstverantwortlichen Entscheidung. Unsere Vorfahren, welche die Plastikwelt mit Freude als Fortschritt begrüßt haben, haben die Konsequenzen nicht mitbekommen, sondern sich auf den "Wahrheitsgehalt" der Promotion verlassen. Bei der Auslöschung der Kernkraft-Idee in Österreich waren die Konsequenzen wohl schon deutlicher in den Köpfen der Betroffenen. Heute - so habe ich den Eindruck - leben wir immer noch keine trennscharfe Unterscheidung zwischen Konsequenzen, Drohung und vor allem (unternehmens- und gesellschafts)politischer "Promotion". Mühsam müssen wir die Konsequenzen selbst sammeln und auswerten, um zu einer persönlich sinnvollen Entscheidung zu kommen. Das nimmt die Menschen nicht mit und behandelt sie m. E. auch nicht auf gleicher Augenhöhe. Das "Einladen mit Promotion" allerdings erlebe ich als einen nur sehr kurzfristigen Erfolg, der rasch in einem schalen "Über den Tisch gezogen worden zu sein" endet. Lesen Sie gern dazu auch Prof. Nicholas Gruen in Sydney, Begründer des Bürgerparlaments.

  2. Monika Knauer-Walter Monika Knauer-Walter

    Zwei Punkte möchte ich anmerken:
    Mitziehen war noch nie mein Ding, ich unterstelle auch, dass das nicht bei allen Menschen und Unternehmen so üblich war. Ich denke, hier muss ganz klar unterschieden werden zwischen Beratungssetting, Kundenbindung - vielleicht tatsächlich eher im Bereich Einzelunternehmen/ kleine Betriebe - und dem großen Marketing (wo Nudging durchaus üblich war und ist...). vielleicht sind meine Pferde hier auch meine Lehrmeister: mit "Ziehen" komme ich auf Dauer nicht weit, das "Mitnehmen" mit Überzeugung und Freude am Miteinander bringt mich oder uns weiter.
    Der zweite Punkt: der Vergleich mit der Selbstverantwortung - und Drohung der Konsequenz am Ende - hinkt auch etwas. Ist es nicht so, dass auch hier wieder "drohende Kraft" im Spiel ist? Vielleicht nicht Ziehen, sondern "Schubsen"...leider funktionieren offensichtlich Selbstverantwortung durch Überzeugung nicht im größeren Rahmen. Vorleben ist schon eher unterstützend. Und: wenn Menschen in der Pandemie selbst entscheiden sollen, wie sie sich verhalten und dann eben ggf. kein Krankenhausbett bekommen...stimmt mich nachdenklich: hier müssen die Ärzte dann die harte Linie durchziehen, die vorher nicht durch Klarheit in den Spielregeln des gesellschaftlichen Zusammenlebens vermieden wurde? Und: wer sagt denn, dass "nur" diejenigen, die sich für die Freiheit in der Pandemie entschieden haben, anschließend die Konsequenzen tragen müssen? Oder im Umweltschutz? Das betrifft eben nicht nur das Individuum, sondern Gesellschaften bis hin zur Weltgemeinschaft.
    Leider etwas kurz gedacht. Mitnehmen geht anders, denke ich.
    Viele Grüße - Monika Knauer-Walter

Schreibe einen Kommentar
* Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.